What the Clock?

Elektronikbastler weltweit müssen es mal gemacht haben... entweder eine Uhr gebaut oder ein Radio. Und mit gebaut mein ich nicht mit nem Baukasten, sondern selber designt und entwickelt.
Ist natürlich Schwachsinn, muss man nicht. Ich habs trotzdem gemacht.
Im Arcademuseum haben wir ne Hardwarespende gekriegt mit allerhand coolem Zeug, aber auch über 100 CD4017 Dekadenzählern. Die braucht man nur für Lauflichter und die sind in keinem Automaten verbaut. Dann hab ich noch aus nem Werkstattschrott (Grabbelkiste) nen Sack voll Industrie-Skalen-LEDs gekriegt (über 600 Stück) und aus ner anderen Werkstattauflösung hab ich ein paar Dezimalencoder.
Also dachte ich mir, bau ich mal ne Uhr.


Bis auf das Gehäse habe ich nur Kram genommen, den ich rumfliegen hatte (Junk Bin Project).
Die LEDs sind für 48V, laufen aber mit 15V schon ordentlich hell, also habe ich mich für 15V Spannungsversorgung entschieden. Die 4000er Serie Chips kommen mit bis zu 18V klar und werden oft mit 12V eingesetzt, also kein Problem hier.
Der Kondensator ist aus nem Arcademonitor, der locker ne sechsstellige Anzahl Betriebsstunden hat und obwohl er aussieht wie ein Stück Kohle, hat er noch fast seine Sollkapazität, Leckstrom kleiner als mein Testofon anzeigen kann und ESR ist... gut genug für anspruchslose Aufgaben. Der Monitor läuft jetzt mit einem neuen Kondensator, aber das Problem, das er hatte, lag an einem anderen Kondensator, der wirklich defekt war.
Auf dem Netzteilmodul wird die Wechselspannung über ne Diode am Gleichrichter abgegriffen, somit steht ein 50Hz Signal zur Verfügung das den Takt vorgibt. Mit dem Schalter kann man zwischen 50 und 60Hz umschalten. Am Kondensator habe ich 28V gemessen, wenn man die Uhr mit 110V betreibt, KANN es sein, dass man ein leichtes Flackern feststellt, aber ansonsten sollte die Uhr laufen.


Jaaa und dann gings darum, die Chips so zu beschalten, dass sie richtig schalten. Der erste Chip hängt da einfach so drin (mit 2 Abgriffen für ein 10Hz Signal für die Bimmel) und taktet den zweiten mit seinem Ripple Carry Output. Beim Zweiten ist ein Schalter am Ausgang für die 5 bzw. die 6 (umschaltbar), dessen Ausgang wiederum mit dem Reset-Input des Chips verbunden ist, also wenn der Chip von 4 nach 5 springt und der Schalter auf 50Hz steht, resettet das Signal von der 5 den Chip so schnell, dass selbst mein Oszi nicht nachkommt.
Als nächstes wollte ich, dass man die Uhr stellen kann, also muss sie Takteingaben am Clock Input des 4017 akzeptieren. Und hier gibts 2 Möglichkeiten, beide mit ihren eigenen Nachteilen: Schließe ich den 0-Ausgang an den Clock Input des nächsten Chips an, kann ich die Uhr nur stellen, wenn die Zehnerstelle etwas anderes als 0 anzeigt. Benutze ich das Resetsignal (in dem Fall die 6) mit, ist der Puls bekanntermaßen irrsinnig kurz, aber man kann die Uhr stellen. Ich habe das so verdrahtet und zwei Tage laufen lassen, aber er verliert gelegentlich eine Minute oder eine Stunde, also unzuverlässig. Dann dachte ich mir, bin ich blöd, warum nimmst du nicht das 0-Signal aus dem zweiten Vorteilerchip, das hat 5Hz (bzw. 6Hz in Amiland, Japan, Australien und Sonstwo) und die 4000er Chips können sowohl runter als auch hoch treiben. Also Ausgang->Widerstand-o->Eingang und an das o den Abzweig zum Schalter. So konnte ich auch einen Sicherheitsschalter realisieren, der das 5Hz Signal an die Stellschalter freigibt, sodass man einen Knopf gedrückt halten muss, damit man mit den anderen Knöpfen die Uhr stellen kann. Außerdem gibt es einen Sekunden-Rückstell-Knopf.
Damit die Uhr um 24 Uhr auf 0 zurückspringt, brauche ich ein UND-Gatter. Da hatte ich noch ein Sortiment zufälliger 4000er Chips von Pollin, da war ein 4073 dabei, 3 Input 3 AND, das kommt mir gelegen, da lege ich einen Input auf High, den zweiten schließe ich an Stunden-2x und Stunden-x4 an, den Ausgang an den Reseteingang beider Stunden-ICs. Die beiden anderen UND-Gatter hänge ich hintereinander, sodass ich ein 5-Input-UND bekomme. Dem geb ich die 4 Inputs aus den Codierschaltern und das 10Hz Signal, das ich mit 2 Dioden vom ersten Vorteiler (4- und 9- Ausgang, was du nimmst ist mir bums, solange es 5 auseinander ist) abgegriffen habe. Der Ausgang steuert einen BD139 (Overkill, aber zwischen 1A und 200mA hatte ich nix da - ein BC547 hätte es vermutlich auch getan, bis mal irgendein Glitch der Spule nicht von der Schutzdiode gefangen werden kann, z.B. wenn ich meine Hand dazwischen habe), also lieber was dickeres.
Die Codierschalter sind simpel, ein Zentralanschluss verbindet wahlweise mit einem von 10 weiteren Anschlüssen. Also kann man 10 Eingänge und 1 Ausgang oder umgekehrt haben. Ich nehme also jede LED, schließe sie an jeden Codiereingang an und wenn die LED leuchtet, die im Codierschalter eingestellt ist, ist dessen Ausgang somit auch HIGH. Und wenn alle 4 Codierschalter auf die aktuelle Uhrzeit eingestellt sind, bimmelt die Bimmel eine Minute lang. Um mich zu wecken, reicht es.

Und hier ist die Uhr in ihrer fast fertigen Schönheit.


Fast fertig. Erst mal kann man sehen, ich kann nicht zählen. Hab ich doch tatsächlich 11 Löcher für Stunden und Minuten gebohrt und ein elftes für Sekunden angekernt. Und für Zehnersekunden sogar ein siebtes und achtes angekernt.
Die beiden Löcher rechts sind für Schalter, die ich entweder nicht hatte oder beim Einbau zerbröselt sind. Naja, 50 Jahre alte NOS-Teile...
Die Uhr ist recht einfach zu lesen, eine Spalte ist dasselbe wie eine Spalte bei einer "normalen" Digitaluhr, also liest man sie in derselben Reihenfolge. Die Nuller sind alle gelb, damit man weiß, wo man anfängt zu zählen.
Im ersten Bild ist es 19:15:46. Im zweiten Bild ist es 08:45:21.

Hier eine Nahaufnahme von der Bimmel. Ich hab die Abstände ziemlich verbockt, aber mit vielleicht ein bisschen Heißkleber kriegt man die Bimmel so fixiert, dass es richtig läutet und nicht bloß klackert mit etwas hochfrequentem Schwingen im Hintergrund. Ich kann die Bimmel jedenfalls mit dem Schraubenzieher so halten, dass es wunderschön bimmelt.
Und das hat halt auch nicht jeder, nen Digitalwecker mit ner analogen Bimmel, die an Aufziehwecker erinnert.

Fertig! Mit Stickern für die Zahlen, damit sie noch leichter abzulesen ist. Leider ohne Sticker für die Bedeutung der Schalter. Also der rote gibt die Stellsignale frei, sodass man die Uhr mit den weißen Schaltern stellen kann. Also den roten muss man gedrückt halten. Der obere weiße stellt die Stunden, der untere die Minuten. 5Hz hört sich echt schnell an, ist aber nicht so schnell, dass man die Uhr nicht genau stellen kann. Dafür ist man, wenn man sich mal verdrückt hat, schnell wieder da, wo man hin will. Der schwarze Schalter stellt die Sekunden auf 0 zurück und hat keinen Interlock/Safeguard.
Ich habe noch genug LEDs und 4017 Chips für 11 weitere solche Uhren.

Bedienungsanleitung

Da Überträge beim Stellen nicht blockiert werden, muss man erst die Sekunden, dann die Minuten, dann die Stunden stellen, denn wenn ein Übertrag passiert, erhöhen sich die jeweils nächsten. Wenn man also die Sekunden rückstellt wenn mehr als 9 Sekunden auf der Uhr sind, erhöhen sich die Minuten um 1. Ebenso wenn man die Minuten auf eine Zeit stellen muss, die niedriger als die aktuelle ist, muss man ja über 59 nach 0 kommen, also erhöhen sich die Stunden um 1.
Um eine Weckzeit einzustellen, einfach mit den Codierschaltern die gewünschte Uhrzeit einstellen. Um den Alarm ganz abzustellen, stellt man eine illegale Uhrzeit ein (z.B. 36:70 Uhr). Dann klingelt's nie.
Will jemand so eine Uhr haben? Ich kann noch mehr bauen. Für'n Fuffi...
Übrigens, ich habe den Stromverbrauch gemessen. 0,8W wenn sie läuft und 1,7W wenn sie bimmelt.

Ich hab noch eine gebaut...

Das Innenleben ist ein bisschen aufgeräumter, alles ist auf einer Platine.

Und hier sind beide Uhren auf einem Bild zu sehen. Die linke ist sozusagen der Prototyp (die rechte ist ja eigentlich auch einer). Ich nenne sie Lore. Die rechte heißt Data. Star Trek TNG Fans werdens kapieren.

Diesmal hab ich eine "alte" Festplatte geschlachtet (sie hatte 500 Gig und ein paar defekte Sektoren) für die Bimmel. Schön ist, dass sie viel lauter bimmelt und viel leiser klackert.

Schaltplan!

Endlich habe ich mal einen Schaltplan gemacht und er ist nach dem Scannen kaum noch lesbar. Und ein paar Kleinigkeiten fehlen, z.B. dass die grüne Sekunden-Blink-LED direkt an das 1Hz Signal mit angeschlossen ist.
Aber wenn man nach den Pinnummern durchgeht, kann eigentlich nix schiefgehen, vor allem wenn man bedenkt, dass ich zu faul war, bei jedem einzelnen 4017 einzuzeichnen, dass /EN (Pin 13) auf Masse geht.
Der Einfachheit halber habe ich nur 3 Sorten Widerstände: 470 Ohm, 100 Ohm 1 Watt und 3,3 Kiloohm.
Das Netzteil ist übrigens ziemlich egal - ich habe 15V genommen, weil die LEDs, von denen ich säckeweise da habe, mit 24V bzw. 48V laufen und mit 15V schon hell genug sind. Nimmt man 12V, muss man natürlich den 7815 durch einen 7812 ersetzen. Nimmt man 5V, entsprechend ein 7805. Dann kann man in der Spannungsfestigkeit des Kondensators entsprechend runtergehen. Und statt einem 1k Widerstand nimmt man 220-330 Ohm.
Jede LED-Schiene hat am Ende nur einen Widerstand, da immer nur eine LED leuchtet (ok manchmal bei Inbetriebnahme initialisiert der 4017 auf einen ungültigen Zustand wo mehr als eine LED leuchtet, aber das kommt im Normalbetrieb nicht vor.

Zu den Multischaltern: Das kommt im Plan vielleicht nicht so gut rüber. An den 1er-Stunden- und Minuten- IC werden jeweils 10 LEDs angeschlossen, an den 10er Stunden IC werden 3 LEDs angeschlossen (0, 1 und 2) und an den 10er Minuten IC werden 6 LEDs angeschlossen (0-5).
Vor jede der LEDs geht ein Abgriff zum Multischalter. Dieser verhält sich wie ein 10-zu-1-Multiplexer. Der Ausgang ist High, wenn die am Multiplexer eingestellte Zahl exakt dieselbe ist, deren LED gerade leuchtet. Stimmen alle 4 Zahlen überein, wird das 10Hz Signal an den Transistor geleitet, der den Klingelmagneten energetisiert.